Nachdem er seinen Besuch am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium im letzten Jahr absagen musste, war Abba Naor, einer der letzten Zeitzeugen des Holocausts, am Freitag, den 14.02.2020, zum sechsten Mal zu Gast am OMG.
Begleitet wurde die Veranstaltung durch ein Forschungsteam der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft der LMU München, das an dem Projekt „Lernen analog und digital – Zeugnisse von Holocaust-Überlebenden im Unterricht“ arbeitet und eine Befragung der anwesenden Schülerinnen und Schüler durchführte. Das Projekt befasst sich mit der Nutzung von interaktiven 3D-Zeugnissen im Unterricht. Dazu wurde die Erzählung von Abba Naor digital aufgenommen und als interaktives Zeugnis aufbereitet. Doch noch hatten die Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe die Gelegenheit, Herrn Naor persönlich zu erleben.
Interesse, Ehrfurcht, Verängstigung, Respekt: alles Ausdrücke, die sich auf den Gesichtern der Anwesenden spiegelten, als der 91-Jährige sein Leben Revue passieren ließ.
Nach einer Begrüßung durch Frau Stubenrauch-Böhme und einführenden Worten von Frau Schauz begann Abba Naor über seinen schweren Weg zu sprechen, der eigentlich mit einer glücklichen Kindheit in seinem Heimatland Litauen begann, bis der erste Groll gegen die Juden gehegt wurde; sogar von seinen eigenen Landsleuten und Nachbarn, mit denen er bis dahin friedlich gelebt hatte. Verletzend! Von einem Tag auf den anderen war für Abba Naor das normale Leben eines 13-Jährigen vorbei und seine Familie musste alles aufgeben. In dem Ghetto, in dem sie von nun an eingesperrt waren, machte sich schnell große Unsicherheit breit, als sogar Kinder - wie sein Bruder - auf offener Straße erschossen wurden, weil sie versucht hatten, etwas Essbares für die Familie aufzutreiben. Immer wieder betonte Herr Naor, der heute vielfacher Groß- und Urgroßvater ist, wie grausam mit Kindern und arbeitsunfähigen Menschen umgegangen wurde. „Und warum tun wir unseren Mitmenschen das an? Was haben sie ihnen denn getan?“, fragte Herr Naor nachdenklich. „Nichts!“. Dennoch kam seine Familie in ein Konzentrationslager und wurde getrennt. Seine Mutter und seinen kleinen Bruder sah er dort durch einen Zaun zum letzten Mal. Sein Vater und er selbst waren arbeitsfähig und kamen getrennt voneinander in Arbeitslager. Dort musste Abba Naor als Jugendlicher unter menschenunwürdigen Bedingungen in Außenlagern leben und zum Beispiel in Kaufering Schwerstarbeit verrichten. Bis zu seiner Befreiung auf dem Todesmarsch durch die Amerikaner hatte er sich immer wieder an einen letzten Funken Hoffnung geklammert.
„Das Leben bekommt man nur einmal!“ Abba Naor machte auf eindrucksvolle Weise bewusst, dass es ein Privileg ist, ein unbeschwertes Leben zu haben und forderte auf, das Leben zu nutzen und zu schätzen. „Die Zukunft gehört euch, Kinder!“
Am Ende ließ es sich Herr Naor nicht nehmen, durch die Reihen zu gehen und geduldig Fragen der aufmerksamen und interessierten Schülerinnen und Schüler zu beantworten. Abba Naors Geschichte ging unter die Haut und zeigte, wie lehrreich es ist, diese - für uns unfassbare – Geschichte von einem Betroffenen selbst zu hören. Ein Privileg! So brachte es auch Schülersprecher Nicholas Wilke in seiner Dankesrede an Herrn Naor zum Ausdruck.
Gisela Schauz (Fachbetreuung Geschichte) und Lilly Neumeier (Klasse 10c)
Die Fotos der Veranstaltung (von Gabi Baumgarten und Michael Gattnarzik) befinden sich im internen Bereich.
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