Geschichte der Schule und des Schulhauses
Neufahrn befindet sich schon seit Jahrzehnten in einer Wachstumsregion, was nicht zuletzt am Flughafen Franz Josef Strauß liegt. Da mehr und mehr Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Freising die Gymnasien Unterschleißheim und vor allem Garching besuchten, wurde zu Beginn der 1990er Jahre der Ruf nach einer neuen Schule im Landkreis Freising lauter.
1991 wurden zwei fünfte Klassen des Gymnasiums Garching in die Hauptschule in Neufahrn ausgelagert. Dies war die Keimzelle des heutigen Neufahrner Gymnasiums. Da die Unterbringung in der Hauptschule jedoch keine Dauerlösung sein sollte, gründete sich ein Zweckverband des Landkreises Freising und der Gemeinde Neufahrn, der den Bau eines neuen Schulgebäudes vorantrieb.
Im Jahre 1993 gewann Hein Goldstein den Architekturwettbewerb für das neue Gymnasium, die Landschaftsarchitekten Rita und Robert Lex-Kerfers gestalteten die Außenanlagen. 1995 begann der Bau des heutigen Schulgebäudes mit seiner charakteristischen Bogenform, die sich zum Galgenbachweiher hin öffnet. Viel Licht durch die zahlreichen Glasfenster und die Farben Rot und Gelb prägen das Innere des Gebäudes.
Namensgeber der neuen Schule wurde der bayerische Schriftsteller Oskar Maria Graf. Rechtzeitig zu Beginn des Schuljahres 1996/1997 konnte das Gebäude von den damals schon 416 Schülerinnen und Schülern des OMG bezogen werden. Erster Schulleiter des eigenständigen Gymnasiums war Herbert Dombrowsky, der die Geschicke des Gymnasiums bereits während der Auslagerung in die Hauptschule gelenkt hatte und insgesamt eine Dekade lang lenken sollte.
Sein Nachfolger wurde Robert Tumpeck und nach weiteren zwei Jahren Franz Vogl, der die Schule zehn Jahre prägen sollte. Während der Vogl-Ära erwarb sich das OMG einen nachhaltigen Ruf als digitale Pionierschule, ferner wurden unter seiner Leiterschaft die Mensa und das Erweiterungsgebäude „Zeppelin“ errichtet.
2019 ging Franz Vogl in den Ruhestand. Seine Nachfolge trat Juliane Stubenrauch-Böhme an, die das OMG während der schweren Corona-Zeit führen musste. Im Herbst 2021 wurde sie Ministerialrätin am Kultusministerium. Seit September 2021 steht Dr. Stefan Bäumel nun an der Spitze des OMG, das mittlerweile fast 1.000 Schülerinnen und Schüler besuchen.
Von Peter Auer
Der Namensgeber der Schule
Oskar Maria Graf: Ein Blick auf das Leben des Namensgebers unserer Schule
Wer Oskar Maria Graf kennenlernen möchte, sollte sich die Büste des Schriftstellers beim Eingang zum nach ihm benannten Gymnasium genau anschauen. Dass dieser Mann ein Unbequemer, ein Mensch mit Ecken und Kanten und einer ganz eigenen Sichtweise auf das Leben und die Welt war, wird hier sehr deutlich. Und er war ein Bayer: Ein wenig „grantig“ wirkt er, wie jemand, der schon viel erlebt und gesehen hat, was ihm nicht unbedingt gefiel. Seinen Trachtenhut und seine Lederhose trägt er uneitel und doch selbstbewusst. Man würde ihm ohne Weiteres zutrauen, dass er gleich eine Bemerkung macht, die ins Schwarze trifft und die Dinge benennt, wie sie nun einmal sind und nicht so, wie sie am besten ankommen.
Kindheit und Jugend
Oskar Graf wurde am 22. Juli 1894 in Berg am Starnberger See geboren. Mit sieben Geschwistern wuchs er in einer ländlichen Umgebung auf, die alles andere als eine Idylle war. Hier trafen Sommerfrischler aus der Stadt und reiche Villenbesitzer auf die hart arbeitende, oft notleidende Landbevölkerung. Hier trugen die Jugendlichen untereinander allerlei Rivalitäten aus und ließen sich – nicht immer harmlose – Streiche einfallen.
Bereits als Schüler war Oskar Graf ein begeisterter, meist heimlicher Leser und verschaffte sich so auf eigene Faust eine gründliche literarische Bildung. Sein Bruder Max, der nach dem Tod des Vaters 1906 die Bäckerei übernommen hatte, in der auch Oskar mitarbeitete, sah dies überhaupt nicht gern. Und als eines Tages das Lesen wieder einmal Anlass für schwere Misshandlungen durch Max geworden war, verließ Oskar im Alter von 17 Jahren das Elternhaus und fuhr kurzerhand mit dem Zug nach München, um dort Schriftsteller zu werden. „Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich so etwas wie Obdachlosigkeit“, schrieb er später in seiner Autobiographie „Wir sind Gefangene“ (1927). Dieses Werk war auch sein erster großer Erfolg.
Der Weg zum Schriftsteller
Oskar Graf fehlte es nicht an Selbstvertrauen und so schlug er sich in München nicht nur mit schwerer körperlicher Arbeit – unter anderem als Bäckergehilfe – durch, sondern er verfolgte auch seine beruflichen Pläne und lernte bekannte Autoren wie Thomas Mann, Rainer Maria Rilke und Bertolt Brecht kennen, die sein Schreiben beeinflussten. In München fand er auch Anschluss an die Schwabinger Bohème und schloss sich den literarischen Anarchisten an – alles nachzulesen in „Wir sind Gefangene“.
Neben Romanen entstanden Gedichte, Essays und autobiografische Texte, die sich durch große Offenheit, schonungslose Ehrlichkeit sowie Vertrautheit mit dem Leben der einfachen Menschen auszeichnen. Graf setzte sich sehr kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit auseinander und engagierte sich für soziale Gerechtigkeit. Seit 1917 nannte er sich Oskar Maria Graf, um eine Verwechslung mit einem Maler zu vermeiden.
Exil und Besuche in der Heimat
Oskar Maria Graf gehört zu den wenigen, die bereits 1933 klar erkannten, was die Diktatur bringen würde. Er wollte nicht von den Nationalsozialisten vereinnahmt werden, sondern protestierte und kämpfte von Anfang an gegen sie. Am 12. Mai druckte die „Wiener Arbeiterzeitung“ seine Reaktion auf die Bücherverbrennung vom 10. Mai „Verbrennt mich!“, die man in Deutschland mit der Androhung der Verbrennung seiner Bücher und später mit deren Verbot beantwortete.
Zunächst blieb Graf in Wien, lebte dann in Brünn und emigrierte 1938 in die USA, wo er sich in New York niederließ. An seinem Stammtisch versammelte er andere Emigranten und schrieb weiter in deutscher Sprache, denn mit Englisch konnte er sich nie so richtig anfreunden. Mit Oskar Maria Graf hatte auch seine jüdische Freundin Mirjam Europa verlassen, die er bereits seit 1918 kannte. Die beiden heirateten erst 1944, da Oskar Maria Graf noch von seiner ersten Frau geschieden werden musste. Sie gründeten eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft in New York, die mit Mirjams Tod 1949 endete.
Erst nachdem er 1958 amerikanischer Staatsbürger geworden war, besuchte Oskar Maria Graf auch wieder seine bayerische Heimat – zuvor hatte er befürchtet, nicht mehr in die USA einreisen zu dürfen. Doch wegen seiner Lederhose gab es – ausgerechnet in München – bald Ärger. Oskar Maria Graf wollte diese nämlich auch bei einer Lesung im Cuvilliés-Theater in der Münchner Residenz tragen, was zu einem veritablen Skandal führte. Schließlich trat er aber doch im gewohnten Outfit vor das Publikum und hatte wieder einmal seinen kämpferischen Geist bewiesen. Weitere Aufenthalte folgten in den Jahren 1960, 1964 (Verleihung der Ehrengabe der Stadt München) und 1965.
Bestattung auf dem Friedhof Bogenhausen
Oskar Maria Graf starb im Juni 1967 im Mount Sinai Hospital in New York City. Ein Jahr nach seinem Tod wurde seine Urne nach München überführt und dort auf dem Alten Bogenhausener Friedhof beigesetzt (Grab an der Mauer auf der Westseite, Nr. 42). Dieser schöne kleine Friedhof bei der Kirche St. Georg ist eine würdige Begräbnisstätte für bedeutende Münchner und Wahlmünchner.
Das literarische Erbe
„Von so mittelmäßigen Schreibern wie ich einer bin, wird man sicher in etlichen Jahren, wenn ich in der Grube bin, kaum den Namen noch kennen“, notierte der 67-jährige Oskar Maria Graf (zitiert nach Schoeller). Diese bescheidene Einschätzung erwies sich als unzutreffend, denn seine Werke sind nach wie vor lesenswert und Oskar Maria Graf wird – wenn er auch keinen Weltruhm erlangte – immer noch geschätzt. Im Jahr 2017 veranstaltete das Literaturhaus eine eigene Ausstellung über ihn mit dem Titel „Rebell, Weltbürger, Erzähler“, in der er als eigenwilliger und durchaus moderner Autor vorgestellt wurde.
Romane wie „Das Leben meiner Mutter“ oder „Der Abgrund“ und vor allem seine autobiographischen Erzählungen sind auch für Jugendliche sehr lesenswert, allerdings ist die von ihm gerne verwendete Mundart nicht immer ganz leicht zu verstehen. Mit „Wir sind Gefangene“ und „Gelächter von außen“ hinterließ Graf zudem aufschlussreiche Erinnerungen an die Zeit des Ersten Weltkriegs und die Revolution 1918/1919 sowie die Jahre der Weimarer Republik bis 1933. Sein literarisches Erbe wurde von seiner Witwe Gisela Blauner betreut, die ebenfalls eine überzeugte Emigrantin der NS-Zeit war.
Graf und das nach ihm bekannte Gymnasium
Unsere Schule ist die einzige nach Oskar Maria Graf benannte Schule und trägt den Namen mit Stolz. Dieser wurde vom ersten Schulleiter des Gymnasiums, Herbert Dombrowsky, dem Kultusministerium vorgeschlagen.
Eine besondere Ehre war der Besuch des Münchner Altoberbürgermeisters anlässlich der Enthüllung von Grafs Büste im Jahr 2014. Im hohen Alter von 88 Jahren hatte Hans Jochen Vogel, der mit Graf noch persönlich bekannt gewesen war und auch seine Bestattung auf dem Bogenhausener Friedhof initiiert hatte, es sich nicht nehmen lassen, an das Oskar-Maria-Graf-Gymnasium zu kommen. Dr. Vogel sowie der damalige Schulleiter Franz Vogl legten den Schülerinnen und Schülern die Lektüre von Grafs Werken und die Auseinandersetzung damit eindringlich nahe, denn Oskar Maria Graf war und bleibt – in den Worten von Wilfried F. Schoeller – „ein Sonderfall an Mut.“
Von Claudia Ruß
Quellen:
Görl, Wolfgang: Auf den Spuren eines Dichters, in: Süddeutsche Zeitung vom 28. September 2012
Oskar Maria Graf Gesellschaft e. V. (Lebensdaten) auf: www.oskarmariagraf.de
Schoeller, Wilfried F.: Der Rebell, der aus der Heimat kam, in: Süddeutsche Zeitung vom 23./24.Juli 1994